Als Franciscus Joseph Friedrich am 1. Januar 1825 seine Arbeit auf der Pfaueninsel beginnt, lautet sein offizieller Titel „Maschinenmeister“ – was nicht ansatzweise erahnen lässt, wie vielseitig begabt der Mann aus dem Elsass tatsächlich ist.
Franciscus Joseph Friedrich wurde nach eigenen Angaben am 10. Dezember 1788 in Straßburg im Elsass geboren. Von seinem Vater Franz Xavier Friedrich (1766–1835), einem Holz- und Steinbildhauer sowie Vergolder, bekommt Franciscus Joseph seine handwerkliche und künstlerische Grundausbildung.
Nach dem Militärdienst in der französischen Armee führen ihn seine Wanderjahre über Dänemark nach Berlin. Hier arbeitet er mehrere Jahre in der bekannten Cockerill'schen Maschinenfabrik und ist anschließend für den Bau der Bühnentechnik im Königstädtischen Theater zuständig. Friedrich ist ein Multitalent. Er beherrscht verschiedenste Gewerke, darunter die des Tischlers, Drechslers, Schlossers, Malers, Bildhauers und auch Mechanikers. Bis an den preußischen Hof verbreitet sich der Ruhm des begabten Herrn Friedrich. Genau so einen Mann braucht die Pfaueninsel als Maschinenmeister.
Am 1. Januar 1825 tritt Friedrich seine Tätigkeit auf dem Eiland im Südwesten Berlins an – eine Aufgabe, für die er aufgrund seiner vielseitigen Begabungen prädestiniert ist. Er ist zuständig für die Betreuung und Instandhaltung der Dampfmaschine, der Wasserleitungen und Fontänen, Reparaturen an den Tierhäusern sowie kleinere Ausbesserungen an den Möbeln in den königlichen Gebäuden. Für diese Tätigkeit erhält er ein Jahresgehalt von 500 Talern sowie eine Dienstwohnung im Maschinenhaus, das im selben Jahr fertiggestellt wurde. Sein sieben Jahre später geäußerter Wunsch, die Betreuung der Dampfmaschine zu übernehmen, die die Fontäne des Berliner Lustgartens betreibt, wird ihm nicht erfüllt.
Friedrich war seit 1815 mit Anna Christina Elisabeth Risleben (1789–1873) aus Lenzen verheiratet. Ihr resolutes Wesen wurde häufig von zeitgenössischen Besuchern beschrieben. Fast ein halbes Jahrhundert lang war das Paar eine feste Institution auf der Pfaueninsel.
In seinen „Ruhestunden“ fertigt der Maschinenmeister mit großer Leidenschaft filigrane Kunstgegenstände aus Gold, Silber, Bernstein, Schildpatt, Perlmutt und Elfenbein an. Er benötigt eigenen Angaben zufolge nur fünf Stunden Schlaf und verbringt die restliche Zeit mit seinen Lieblingsbeschäftigungen: Zeichnen, Modellieren und Schnitzen, selbstverständlich ohne seine eigentlichen Aufgaben zu vernachlässigen. Sein sehnlichster Wunsch ist es, einst den Titel eines königlichen Hofmodellierers zu erwerben.
Besonders bekannt sind Friedrichs maßstabsgetreue Architekturmodelle. Er bildet hauptsächlich Bauten nach, die in der Regierungszeit König Friedrich Wilhelms III. von Preußen errichtet worden sind, wie die Friedrichswerdersche Kirche und das Alte Museum in Berlin oder die Nikolaikirche und die Russische Kapelle in Potsdam. Es existierten insgesamt acht solcher Modelle. Sie lassen sich anhand historischer Inventarverzeichnisse im 19. Jahrhundert in verschiedenen Räumen des Schlosses auf der Pfaueninsel nachweisen und waren seit den 1930er Jahren in der dortigen Meierei ausgestellt.
Die Bedeutung der maßstabsgerechten Modelle liegt nicht allein in ihrem dokumentarischen Wert, sondern vor allem in ihrer außergewöhnlichen kunsthandwerklichen Ausführung, sowohl in der Materialwahl als auch in der technischen Präzision.
Mit Beginn der industriellen Produktion in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gehörte das kostbare Elfenbein zu den bevorzugten Werkstoffen. Während zuvor fast ausschließlich Kunstwerke daraus gefertigt wurden, entstanden nun vorzugsweise Dinge des täglichen Gebrauchs, wie Dosen, Kästchen, Griffe für Essbesteck, Essstäbchen, Klaviertasten oder Billardkugeln. Perlmutt fand insbesondere in Form von Einlegearbeiten an Möbeln und Musikinstrumenten Verwendung. Noch heute werden Knöpfe und Löffel aus diesem Material hergestellt.
Jedes der Modelle besteht aus mehreren tausend Einzelteilen aus Elfenbein und Perlmutt. Einige Details sind vergoldet, die Fenster verglast und die Innenräume teilweise authentisch bemalt. Das Modell der Friedrichswerderschen Kirche verfügt zudem über ein funktionierendes Uhrwerk.
Das erste Werk seiner Serie – ein Elfenbeinmodell des Pfaueninselschlosses – schenkt Maschinenmeister Franciscus Joseph Friedrich dem König im Jahre 1829. Gleichzeitig bittet er als „bekümmerter Familienvater“ um Unterstützung der Ausbildung seiner Kinder sowie um weitere Aufträge. Wenige Tage später werden ihm 10 Reichstaler monatliches Schulgeld für die Töchter sowie die Auslagen für Material und Werkzeuge erstattet, die zur Fertigung des Modells notwendig gewesen waren. Diese beliefen sich auf 149 Reichstaler und 6 Silbergroschen. Seinen Dank für die Zuwendungen verbindet Friedrich mit der Bitte, einen weiteren Auftrag für den König ausführen zu dürfen. Der König bestellt daraufhin eine Kopie des Modells vom Pfaueninselschloss, die er als Geschenk vorsieht.
Da er nun über bessere Werkzeuge verfügt, kann der Maschinenmeister das zweite Modell bereits ein halbes Jahr später überreichen. Friedrich Wilhelm III. verschenkt es an seinen Schwiegersohn, den russischen Zaren Nikolaus I. (1796–1855). Es befindet sich noch heute im Peterhofer Schloss Cottage, das für dessen Frau Zarin Alexandra Feodorowna (1798–1860), geborene Prinzessin Charlotte von Preußen, errichtet worden war.
Friedrich zeigt sein Erstlingswerk, das Modell des Pfaueninselschlosses, 1830 auf der Ausstellung der Berliner Akademie der Künste. Leider gilt es seit Mitte des 20. Jahrhunderts als verschollen. Von 1830 bis 1832 fertigt er ein Modell der Friedrichswerderschen Kirche. Dessen Präsentation auf der Ausstellung der Akademie trägt ihm den Titel eines akademischen Künstlers ein. Weitere Beteiligungen an den dortigen Ausstellungen sowie an der ersten Präsentation von Erzeugnissen des Potsdamer Gewerbefleißes, die 1846 im Militärwaisenhaus stattfand, vermehren den Ruhm des genialen Handwerkers.
Mit jedem Schreiben an den König, in dem er sich für die Anerkennung und Vergütung seiner Arbeiten bedankt, erneuert Friedrich sein Anerbieten, weitere Arbeiten zu fertigen. So entstehen zwischen 1829 und 1849 insgesamt acht Modelle. Der Russischen Kapelle folgen Nachbildungen der Kirche St. Peter und Paul in Nikolskoe sowie des Alten Museums in Berlin.
Einzig im ersten Regierungsjahr des preußischen Königs Friedrich Wilhelms IV. ruht die Arbeit. Doch bereits Ende 1842 bittet der Maschinenmeister den neuen König um einen Auftrag. Da der Bau der Kirche bei Sacrow bereits vorangeschritten sei, würde er gern deren Modellierung beginnen und mit seiner Arbeit verfolgen. Drei Jahre später übergibt er die Nachbildung und erhielt dafür 500 Reichstaler aus der königlichen Schatulle.
Die Modelle der Kirchen in Sacrow, Nikolskoe und der Friedrichswerderschen Kirche in Berlin sowie der Potsdamer Nikolaikirche fertigt Friedrich während der Entstehung der jeweiligen Bauwerke. Die Entwürfe zum Bau der Nikolskoer Kirche waren ihm nachweislich bereits vor deren Ausführung bekannt.
In den zahlreichen überlieferten Publikationen über die Bewohner der Pfaueninsel wird der Anteil des hawaiischen Einwanderers Harry Maitey am Bau der Modelle nicht eindeutig benannt. In den Briefen des Maschinenmeisters an den König findet er keine Erwähnung. Eine Mitarbeit an den ersten beiden Modellbauten ist jedoch offensichtlich auszuschließen, da Maitey erst im August 1830 in die Obhut von Franciscus Joseph Friedrich gelangte. Seine Beteiligung an späteren Arbeiten gilt hingegen als unumstritten.
Der preußische König Wilhelm I. verleiht Friedrich in Anerkennung seiner früheren meisterhaften Arbeiten schließlich 1863 die Große Goldene Medaille für Kunst.
Die Elfenbeinmodelle gehörten zu den Kunstwerken, die 1945/46 in die Sowjetunion verbracht wurden. Auf der Rückgabeliste von 1959 fehlt das Modell des Pfaueninselschlosses, das seither als vermisst gilt. Alle überlieferten Modelle befanden sich in einem sehr schlechten Zustand und wurden 1980/81 einer grundlegenden Restaurierung unterzogen.
Die Nachbildungen der Friedrichswerderschen Kirche und des Alten Museums sind derzeit im Neuen Pavillon am südöstlichen Rand des Schlossgartens Charlottenburg ausgestellt und öffentlich zugänglich.
In Kürze werden detaillierte Einträge zu den sechs erhaltenen Modellen des polytechnisch versierten Maschinenmeisters Franciscus Joseph Friedrich über das Internetportal museum-digital verfügbar sein.
Evelyn Zimmermann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Graphischen Sammlung der SPSG.
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