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Von Honolulu an die Havel

06. Juni 2025 Von Michael Wolf

Vor 200 Jahren betrat erstmals ein Mann aus Hawaii preußischen Boden. Nun wird zu seinen Ehren auf der Pfaueninsel ein traditioneller „Hula“ aufgeführt.

Im Jahr 1822 schickt Friedrich Wilhelm III. die Fregatte „Mentor“ auf eine weite Reise nach Brasilien, Mexiko, Peru und China. Der König will den in der napoleonischen Zeit unterbrochenen Handel wiederbeleben, zudem ist es ein prestigeträchtiges Projekt: Die „Mentor“ soll als erstes deutsches Schiff die Erde umsegeln. In Europa interessiert man sich sehr für alles Überseeische und der König macht hier keine Ausnahme, sammelt er auf seiner Pfaueninsel doch fremdartige Tiere und Pflanzen. 

Die Neugier ist allerdings keine Einbahnstraße, wie sich erweisen soll, als das Schiff im Hafen von Honolulu, heute Teil des US-Bundesstaats Hawaii, seine Vorräte auffüllt. Der Zwischenstopp verläuft für die Besatzung zunächst ohne besondere Ereignisse, aber als die Fregatte wieder in See stechen will, meldet sich ein junger Einheimischer auf Deck. Fast noch ein Kind ist er und bittet doch darum, mitfahren zu dürfen.

Die Offiziere wissen wohl zunächst nicht, was sie mit ihm anfangen sollen, aber offenbar kann er überzeugende Argumente vorbringen. Nachdem sie sich vergewissert haben, dass er, wie behauptet, Vollwaise ist, nehmen sie ihn tatsächlich mit nach China und nennen ihn fortan „Harry Maitey“. Den Vornamen gibt er sich möglicherweise selbst, der Nachname ist angelehnt an das hawaiische Adjektiv maitaʻi (deutsch: „gut“), das der neue Matrose in Gesprächen oft verwendet.

Als das Schiff im September 1824 nach seiner Weltumseglung in Swinemünde landet, gehört Maitey zu den bejubelten Helden. Wie aber soll es weitergehen mit ihm, hier in Preußen? Diese Frage wird auf höchster Ebene verhandelt. Friedrich Wilhelm III. lässt sich über seine Geschichte unterrichten und beschließt, ihn im Haushalt des Präsidenten der Preußischen Seehandlung unterzubringen. Hier verbringt er seine ersten Jahre und lernt weiter Deutsch. Später führt er mit dem Gelehrten und Bildungsreformer Wilhelm von Humboldt mehrere Gespräche und wird zur wichtigsten Quelle seiner Forschungen zur hawaiischen Sprache. 

1830 steht dann der nächste Namenswechsel an: Nach einer christlichen Taufe nennt sich Harry nun Heinrich Wilhelm und tritt in königliche Dienste ein. Ausgerechnet auf der Pfaueninsel, jenem Ort, an dem sie in Preußen von der großen weiten Welt träumen, lässt er sich als Handwerker ausbilden. Wahrscheinlich arbeitet er hier unter anderem an filigranen Miniatur-Repliken berühmter Schlösser und Kathedralen aus Elfenbein und Perlmutt. Aber er findet nicht nur Arbeit, sondern in Gestalt der Tochter des Tierwärters Dorothea Becker auch die Liebe. Nach ihrer Hochzeit ziehen die beiden nach Klein-Glienicke, wo Maitey in späteren Jahren eine Rente des Königs bezieht. Im Jahr 1872 endet hier die unwahrscheinliche Lebensgeschichte des ersten Hawaiiers in Preußen. Weitererzählt wird sie bis heute.

Am 4. Mai widmet sich der Historiker Thomas Tunsch in einem Vortrag der außergewöhnlichen Biographie Maiteys. Tunsch ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Museum für Islamische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin und Mitglied von „No ka Hoʻomanaʻo Ana Ia Berlin“. Der Berliner Verein führt am 14. Juni zu Maiteys Ehren einen erzählenden Tanz im Stil des „alten“ Hula auf, der auf die Traditionen vor dem Kontakt mit Europäern zurückgeht. Seit 2012 wird der Verein von mehreren hawaiischen Kumu (Lehrer) bei der Pflege hawaiischer Traditionen begleitet und unterstützt. Gemeinsam widmen sie sich über eine Entfernung von 12.000 Kilometern dem interkulturellen Austausch zwischen Hawaii und Deutschland – ein Austausch, der vor über zwei Jahrhunderten begann, als ein junger Mann sich ein Herz fasste und um eine Mitfahrgelegenheit bat.

Zu Ehren von Harry Maitey, dem Mann von den Sandwich-Inseln. He inoa no Harry Maitey, ke kanaka Sandwich Islands.
Hula kahiko
Samstag, 14. Juni, 12 Uhr
Liegewiese auf der Pfaueninsel
Eintritt frei, Anmeldung nicht erforderlich
Weitere Informationen


Der Beitrag ist zuerst erschienen im SPSG-Magazin SANS,SOUCI. 02.2025

 

 

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