Schon bald nach seiner Thronbesteigung im Jahr 1786 hatte Friedrich Wilhelm II. den Norden Potsdams für sich entdeckt. Hier ließ er den Neuen Garten anlegen und als Sommersitz das Marmorpalais errichten. Weitere Bauten wie die Gotische Bibliothek, die Orangerie und die Meierei am Jungfernsee fügten sich in das Areal ein. Der König hatte aber noch weitere Pläne. An den europäischen Fürstenhöfen war zu dieser Zeit das inszenierte Landleben in Mode. Friedrich Wilhelm II. wünschte sich hierfür eine Dependance zum Marmorpalais. Auf der Suche nach einem geeigneten Standort entsann er sich seiner Bootsausflüge auf diese Insel unweit des Neuen Gartens. Kaninchenwerder hieß sie, bald darauf wurde sie als Pfaueninsel bekannt. Auf einem Hügel errichtete Hofzimmermeister Johann Gottlieb Brendel hier ein Lustschloss, das bis heute Besucher:innen aus Potsdam, Berlin und aller Welt fasziniert. Wie aus einem Märchen wirkt es mit seinen von einer Brücke verbundenen Türmen und dem scheinbar vor sich hin bröckelnden Mauerwerk. Das Schloss symbolisiert als Ruine gebaut die Vergänglichkeit. Auch diese illusionistische Architektur entsprach einer damaligen Mode. Tatsächlich handelt es sich um einen Fachwerkbau mit einer zusätzlichen Holzverschalung, die Steinquader sind nur aufgemalt.
Da Holz als Baumaterial anfällig für Schäden ist, stehen seit der Fertigstellung des Schlosses im Jahr 1795 in regelmäßigen Abständen umfangreiche Instandsetzungen an. Zuletzt war es seit 2018 wegen einer Sanierung für den Publikumsverkehr geschlossen. Ermöglicht wurden die Arbeiten durch das vom Bund und den Ländern Brandenburg und Berlin finanzierte Sonderinvestitionsprogramm II. Die Abteilungen Architektur und Restaurierung arbeiteten in enger Abstimmung am und im Gebäude. Dessen gesamte Einrichtung wurde vor Beginn der Sanierung in Depots untergebracht und dort konservatorisch behandelt (mehr dazu in der SANS,SOUCI. 01.2025). Das leere Schloss ähnelte in den letzten Jahren einer großen Restaurierungswerkstatt. Das restauratorische Gesamtkonzept sah vor, den Bestand bestmöglich zu erhalten, aber nur in Ausnahmefällen zu ergänzen. Eine solche Ausnahme bildeten die kaum noch erkennbaren illusionistischen Architekturmalereien im Treppenturm. Nach umfangreichen Retuschen entstand hier wieder der Eindruck einer Wand aus Naturstein.
Komplex war auch die Bearbeitung der kostbaren wandfesten Ausstattung. „Das ist alles hochrangige Kunst“, schwärmt Ute Joksch, die für das Schloss zuständige Projektrestauratorin. „Wir haben hier die besten Tapeten ihrer Zeit, die feinsten Baumwollstoffe, die besten Schnitzereien.“ Nicht nur deswegen war das Projekt für sie „eines der schönsten ihres Lebens“, wie Joksch sagt. „Dass wir es gemeinsam geschafft haben, dieses Haus für die kommende Generation so authentisch zu erhalten, das ist schon ein großartiges Ergebnis.“
Diese Leistung ist umso wertvoller, da die originale Inneneinrichtung weitgehend erhalten ist. Wer heute das Schloss besucht, unternimmt eine Reise ins ausgehende 18. Jahrhundert und kann den Geschmack vor allem einer Person genau studieren: Wilhelmine Enke, seinerzeit Madame Ritz und spätere Gräfin von Lichtenau, war in jüngeren Jahren die Mätresse Friedrich Wilhelms II. und nun seine engste Vertraute. Der König gewährte ihr bei der Einrichtung freie Hand und die hochgebildete Bürgerliche bewies großes gestalterisches Talent.
So ließ sie zum Beispiel, ihrer Zeit weit voraus, Papiertapeten an den Wänden anbringen. „Das war damals sehr ungewöhnlich“, erklärt Kustodin Susanne Evers. „Im Bürgertum waren Papiertapeten bereits verbreitet, aber nicht in fürstlichen Häusern und erst recht nicht in königlichen.“ Die Wahl ist auch hinsichtlich der Funktion solcher Räume bedeutsam. Schlösser dienten der Repräsentation, man gestaltete sie in Hinblick darauf, wie man von anderen wahrgenommen werden wollte. „Vermutlich wollten Friedrich Wilhelm II. und Madame Ritz ihre Kenntnis aktueller Modetrends unter Beweis stellen“, so Evers.
Viel Zeit verbrachten die beiden aber nicht in ihrem Schloss, denn der König starb zwei Jahre nach der Fertigstellung. Sein Sohn und Nachfolger Friedrich Wilhelm III. hatte die Verbindung seines Vaters zu Wilhelmine von Lichtenau, wie sie mittlerweile hieß, nie akzeptiert. Er nahm sie in Festungshaft und konfiszierte ihr Vermögen. Erst 1811 wurde sie rehabilitiert, auf die Pfaueninsel kehrte sie wohl niemals zurück. Trotz dieser Fehde ließ Friedrich Wilhelm III. die Einrichtung nahezu unverändert. Gemeinsam mit seiner Frau, Königin Luise, und den Kindern verbrachte er hier unbeschwerte Sommertage. Ein Vestibül und vier Räume im Erdgeschoss sowie ein kleiner Saal und drei Zimmer im Obergeschoss boten der Hofgesellschaft Schutz vor der Witterung. „Besonders luxuriös sollte man sich das aber nicht vorstellen“, so Susanne Evers. „Deshalb hat Luise wohl auch nicht besonders gerne dort übernachtet. Die Schlafzimmer sind ja sehr klein und die Wände dünn. Auch die Betten waren nicht besonders bequem.“
Ab 1821 gab es erstmals die Möglichkeit für die Öffentlichkeit, das Schloss zu besichtigen. Überhaupt geriet die Insel zu Zeiten Friedrich Wilhelms III. in den Fokus der Stadtgesellschaft. Eine Menagerie mit Affen, Lamas, Bären und natürlich den Pfauen zog Neugierige an, auch eine rund sechzig Meter lange Rutschbahn ließ der König errichten. Erst mit seinem Tod im Jahr 1840 wurde es ruhiger auf der Insel. Zwar diente sie auch seinen Nachfolgern als Ausflugsort, die Tiere aber gingen an den Zoologischen Garten, wodurch auch die Besucherströme versiegten.
Und das Schloss? Es wurde gepflegt, aber nicht dauerhaft genutzt. Die Einrichtung blieb somit unangetastet, was ein großes Glück ist. Wenn sich seine Türen am 25. Mai nach sieben langen Jahren endlich wieder öffnen, dann laden sie nicht nur zu einer Wiederentdeckung dieses außergewöhnlichen Hauses ein – sondern auch zu einer Zeitreise. Es ist, als wäre man im Jahr 1795 bei Friedrich Wilhelm II. und Madame Ritz eingeladen.
Der Beitrag ist zuerst erschienen im SPSG-Magazin SANS,SOUCI. 02.2025
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