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Opulente Pracht für den Bruder des Königs

25. April 2025 Von Antje Vanhoefen

Die Prinz-Heinrich-Wohnung im Neuen Palais

Unmittelbar nach dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763) ließ Friedrich der Große (1712-1786) den Grundstein für das Neue Palais legen. Dieser besondere Schlosskomplex wurde am 19. Juli 1768 feierlich unter dem Namen „Friedrichsruh“ eingeweiht. Nicht nur Friedrich II., sondern auch zwei seiner Geschwister, Prinz Heinrich (1726-1802) und Prinzessin Amalie (1723-1787), waren anwesend. Während Friedrich II. am gleichen Tag seine Räume bezog, folgten Heinrich und Amalie vier Tage später. Die Einrichtung des Neuen Palais war allerdings erst 1769 abgeschlossen.

So groß und beeindruckend das Neue Palais auch ist, Staatsakte fanden hier nicht statt – von Beginn an war das Neue Palais als „maison de plaisance“ (Lustschloss) geplant und folgerichtig wurde auch kein Audienzgemach mit Thronsessel und Baldachin für offizielle Anlässe gebaut bzw. eingerichtet. Genauso fehlt eine repräsentative Haupttreppe für den Empfang von Diplomaten. Die Schlossarchitektur und ihre Ausstattung mit hochqualitativen Kunstwerken wie Gemälden, Skulpturen, Möbeln, Porzellan, Leuchtern, Musikinstrumenten und Uhren bis hin zu exquisiten Ausstattungstextilien ergaben ein erstrangiges Gesamtkunstwerk, das Friedrich II. als „ästhetischen Fachmann“ (Zielosko 2011) auswies.

Bis 1785 hieß der König – jährlich zwischen April und September – Gäste (hauptsächlich seine Geschwister und deren Familien) im Neuen Palais willkommen. Man feierte gemeinsam Feste wie z.B. die Hochzeit des Prinzen Friedrich Wilhelm von Preußen (dem späteren König Friedrich Wilhelm II.; 1744-1797) und seiner zweiten Gemahlin Friederike Luise von Hessen-Darmstadt (1751-1805), man genoss Opern und Komödien, speiste im Grottensaal, nahm an Bällen teil und bestaunte Feuerwerke und festliche Illuminationen.

Im nördlichen Seitenflügel des Neuen Palais befindet sich die sogenannte Prinz-Heinrich-Wohnung. Schon 1772 veröffentlichte Matthias Oesterreich in seiner „Beschreibung von allen Gemählden und Antiquen, wie auch verschiedenen anderen Kostbarkeiten im Neuen Schlosse bei Sans=Souci“ eine Schilderung der Einrichtung des Neuen Palais. Er listet „In denen Zimmern Sr. Königlichen Hoheiten des Prinzen Heinrich“ und „In den Zimmern Ihro Königlichen Hoheiten der Prinzeßin Heinrichen“ ausschließlich Gemälde auf. Nebenbei prägte er jedoch die noch heute gültige Bezeichnung „Heinrichwohnung“. 

Dieses idealtypische ‘appartement double‘ bot – wie der Name schon vermuten lässt – genügend Raum für die Unterkunft eines fürstlichen Paares. Die sechs nach Süden gelegenen Räume waren für Wilhelmine von Hessen-Kassel (1726-1808) eingerichtet worden. Die fünf nach Norden ausgerichteten Räume waren ihrem Gemahl und Bruder des Königs, Prinz Heinrich, zugedacht. Die Zimmer des Prinzen zeigen zum sogenannten Eishof, während die seiner Gemahlin Wilhelmine auf den Ehrenhof ausgerichtet sind. Beide Raumfolgen sind nach dem gleichen Schema organisiert und können daher auch als „einfache“ Wohnungen (sog. ‘appartements simple‘) genutzt werden. Die Raumabfolge ist nahezu identisch: nach zwei vorgeschalteten Zimmern – sog. Kammern, folgt ein repräsentatives Schlafzimmer mit Prunkbett. In den ersten Vorzimmern hingen dichtgedrängt Gemälde – bei Prinz Heinrich überwogen mythologische Szenen von französischen und italienischen Meistern; bei Prinzessin Wilhelmine hingen Historiengemälde und biblische Themen.

Im Anschluss an Vorzimmer, Kabinett und Schlafzimmer befinden sich im „Kopfbau“ weitere insgesamt 5 Räume – ein Salon, ein Konzertzimmer, zwei Schreibkabinette, und ein weiteres kleines Kabinett. Hier wird die ideale Symmetrie zugunsten einer in der Nordwest-Ecke des Kopfbaues angeordneten kleinen Treppe durchbrochen.

In der Heinrich- wie auch in der Königswohnung wird deutlich: Die Raumarchitektur und die mobile Ausstattung bilden eine künstlerische Einheit – ein Gesamtkunstwerk, in dem alles aufeinander abgestimmt ist. Wandfeste Elemente wie Stuck, Kamine hölzerne Wandpaneele mit ihren geschnitzten Ornamenten, Wandbespannungen und Möbel, Wand- und Kronleuchter, Porzellane und Gemälde – jedes einzelne Objekt trägt zur Gesamtkomposition bei. Deutlich sichtbar wird der einheitliche Grundgedanke in der Raumgestaltung z.B. in dessen Textilien. Im 18. Jahrhundert war die sogenannte En-suite-Ausstattung modern. Dies bedeutete, dass Möbelbezüge, Fensterbekleidungen, Bett- und Alkovenstoffe sowie die Wandbespannungen aus „einem Guss“ gefertigt waren. Aus einem Inventar von 1784 erfährt man Näheres über die Interieurs der Repräsentationsschlafzimmer: 
Die Wände des Schlafzimmers von Prinz Heinrich waren mit „dunckel gelbseidnen Stoff tapeziert und versilberter Decoration“ versehen, für das Schlafzimmer seiner Gemahlin wird der Raum „mit gelbgeblümten Stoff tapezirt und versilberter Decoration“ beschrieben. Auf Grund der Darstellung im Inventar vermuten Lesende im frühen 21. Jahrhundert nicht, dass es sich um die gleichen Ausstattungstextilien handelt, die wir noch heute in den beiden Schlafzimmern der Heinrichwohnung sehen. Jedoch bezeichnet das Wort „Stoff“ im 18. Jahrhundert per se eine Webware mit Blumenmuster (Vgl. Evers 2014).

Prinz Heinrichs „Thronbette mit 4 hängenden Gardinen von do: [dito = gleichem – Anm. AV] Stoff und weißen Atlaß gefüttert. darinn 2 Matratzen, 1 Unterbette, 4 Kopfküssen mit roth-seiden Zeüg überzogen 2 weiße Atlaßdecken mit leinen Futter, 1 Wulst [ein Kissen einer Nackenrolle ähnlich – Anm. AV], 1 Paradedecke von gedachten Stoff [dem gleichen Stoff wie schon beschrieben – Anm. AV]“ sind, wie zu lesen ist, mit den gleichen Stoffen ausgestattet worden, wie sie auch für die Wände und alle anderen Möbel im Raum zur Anwendung kamen. Der in beiden Räumen verwendete broschierte Seidenatlas bildet in der textilen Ausstattung des Neuen Palais in vieler Hinsicht eine Ausnahme: Er ist der einzige nicht in Berlin gefertigte Stoff, sondern wurde aus Holland importiert und ist mit 80 cm deutlich breiter als die mit 54 cm sichtbar schmaleren einheimischen Produktionen. Das Bildprogramm ist auf die Funktion des Raumes abgestimmt. Der überdimensional dargestellte Mohn spielt nicht nur auf den Schlaf an, sondern steht auch mit seinen vielen Samenkörnchen in den Mohnkapseln für die Fruchtbarkeit. Angesichts der Homosexualität Prinz Heinrichs blieb dies eine unerfüllbare Aufforderung. Zwar hatte sich Prinz Heinrich 1752 dem Druck Friedrichs II. gebeugt und Wilhelmine von Hessen-Kassel geheiratet, doch trug das Paar durch seine Kinderlosigkeit nicht zum Erhalt des Hauses bei. (Vgl. Schönpflug 2008)

Für die Ruhe am Tage stand eine Ottomane (andere Begriffe der Zeit waren „lit de repos“ oder „Faulbett“) bereit. Die sechs Armlehnstühle (Fauteuils genannt) waren mit dem gleichen Stoff bezogen wie die schon erwähnte Ottomane. Für die Hygiene stand ein „porcelain Waschgeschirr“ bereit und für die Notdurft ein „Nachtstuhl nebst Eimer“ sowie ein „porcellain Nachttopf“. Die Modernisierungen des Neuen Palais im 19. und frühen 20. Jahrhundert griffen in die Raumstruktur der Heinrichwohnung ein. Es wurden hier wie im ganzen Schloss ab den 1870er Jahren z.B. kleine Badezimmer sowohl im Schlafzimmer des Prinzen Heinrich wie auch in dem seiner Gemahlin Wilhelmine installiert. Diese kleinen Kabinette verstecken sich hinter den unscheinbaren Türen neben dem Kopfende der Prunkbetten zur Gebäudemitte hin. Die spiegelbildlich an der Fensterseite angebrachten Türen führen in die Räume des sogenannten Kopfbaus. Schon diese architektonisch wenig spektakulären Türöffnungen verweisen auf den hier erfolgenden Übergang in die „privaten“ Räume. Denn die offizielle, repräsentative Raumfolge endete mit dem Schlafzimmer. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die nun eher intimeren Räume weniger aufwendig gestaltet waren – hier befinden sich neben der „Fleischfarbenen Cammer“ (im Inventar beschrieben als „boisiert en couleur de chair“), zwei mit aufwendig intarsierten Wandvertäfelungen ausgestattete Schreibkabinette sowie ein in silbernem Farbton gehaltenes Konzertzimmer, in dem acht wandhohe Spiegel (sogen. Trumeaux) angebracht waren und neben sechs Armlehnstühlen, einem silbernen Leuchter und einem versilberten Tisch ein ebenfalls versilberter Flügel stand. Zur Erstausstattung dieses vergleichsweise kleinen Raums gehört die unglaubliche Anzahl von 16 feuerversilberten Wandleuchtern (sogen. Branchen) mit Gesichtsmasken, die paarweise neben den Spiegeln angebracht waren. Der überwiegende Teil dieser Branchen ist nur noch in Nachgüssen überliefert und Verlust.  Für die Dauer der Restaurierung des Raums sind sie ins Depot gebracht worden. Dieser als Modell „Zephir“ bekannte Wandbranchentyp gehört zu den drei Formen aus der Werkstatt von Johann August Nahl (1710-1781), den Friedrich II. wiederholt verwenden ließ. Das Konzertzimmer stellt den beeindruckenden Höhepunkt dieser an prächtigen Dekorationen reichen Raumfolge dar. 

Zu den Besonderheiten des Neuen Palais gehören die schon erwähnten Schreibkabinette der Prinz-Heinrich-Wohnung. Sie wurden wohl von den Brüdern Johann Friedrich (1726-1799) und Heinrich Wilhelm Spindler (1738-1788) mit aufwendigen Marketerien gefertigt. Die beiden Kunsttischler kamen aus Bayreuth. Sie wechselten nach Potsdam und schufen allein für das Neue Palais 13 verschiedene Möbel und Standuhrengehäuse und zudem wohl das Parkett des Ovalen Kabinetts (auch Tassenkopfzimmer genannt) wie auch das Marketerie-Parkett am nördlichen Ende des gartenseitigen Oberen Fürstenquartiers. Eine den Vertäfelungen in der Prinz-Heinrich-Wohnung vergleichbare Raumausstattung hatte „Johann Friedrich Spindler […] unmittelbar vor seiner Übersiedelung […] aus[geführt]: 1764-1765 schuf er für eine Tochter der 1758 verstorbenen Bayreuther Markgräfin Wilhelmine Friederike Sophie, der Schwester Friedrichs des Großen, eine ganze Raumvertäfelung mit eingelegten Landschaften und Schäferszenen.“ (Schick 2008) Nach fast 250 Jahren seit der Erstanbringung der Vertäfelung, einigen Überarbeitungen und Umbaumaßnahmen ist die ursprüngliche Pracht der beiden Kabinette nur noch zu erahnen. Vor allem das Tageslicht hat die mit unterschiedlichen Naturfarben gebeizten Hölzer geschädigt: „Die ursprünglich sehr intensiven Farben sind auf der Vorderseite der Furniere bis auf einige Grüntöne völlig verblasst. Die ehemals fliederfarbenen Bänder aus Amaranthholz zeigen sich heute in einem gealterten rotbraunen Farbton.“ (Kühn/Broschke 2006, S. 235.)

Zu den Besonderheiten des Neuen Palais gehören die schon erwähnten Schreibkabinette der Prinz-Heinrich-Wohnung. Sie wurden wohl von den Brüdern Johann Friedrich (1726-1799) und Heinrich Wilhelm Spindler (1738-1788) mit aufwendigen Marketerien gefertigt. Die beiden Kunsttischler kamen aus Bayreuth. Sie wechselten nach Potsdam und schufen allein für das Neue Palais 13 verschiedene Möbel und Standuhrengehäuse und zudem wohl das Parkett des Ovalen Kabinetts (auch Tassenkopfzimmer genannt) wie auch das Marketerie-Parkett am nördlichen Ende des gartenseitigen Oberen Fürstenquartiers. Eine den Vertäfelungen in der Prinz-Heinrich-Wohnung vergleichbare Raumausstattung hatte „Johann Friedrich Spindler […] unmittelbar vor seiner Übersiedelung […] aus[geführt]: 1764-1765 schuf er für eine Tochter der 1758 verstorbenen Bayreuther Markgräfin Wilhelmine Friederike Sophie, der Schwester Friedrichs des Großen, eine ganze Raumvertäfelung mit eingelegten Landschaften und Schäferszenen.“ (Schick 2008) Nach fast 250 Jahren seit der Erstanbringung der Vertäfelung, einigen Überarbeitungen und Umbaumaßnahmen ist die ursprüngliche Pracht der beiden Kabinette nur noch zu erahnen. Vor allem das Tageslicht hat die mit unterschiedlichen Naturfarben gebeizten Hölzer geschädigt: „Die ursprünglich sehr intensiven Farben sind auf der Vorderseite der Furniere bis auf einige Grüntöne völlig verblasst. Die ehemals fliederfarbenen Bänder aus Amaranthholz zeigen sich heute in einem gealterten rotbraunen Farbton.“ (Kühn/Broschke 2006, S. 235.)


Antje Vanhoefen ist Kustodin für Möbel, Musikinstrumente und die Marstallsammlung sowie Kustodin für das Neue Palais bei der SPSG.
 

Literatur

Evers u.a. 2014
Susanne Evers u. a.: Seiden in den preußischen Schlössern: Ausstattungstextilien und Posamente unter Friedrich II. (1740-1786). Bestandskataloge der Kunstsammlungen: Angewandte Kunst; Textilien. Herausgegeben von der Generaldirektion der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Berlin 2014

Kühn/Broschke 2006
Kühn, Thomas & Broscke, Grit: Zustandsuntersuchungen und Beginn der Restaurierungsarbeiten am Spindler-Kabinett im Neuen Palais : Raum 152. In: SPSG Jahrbuch 8 (2006), S. 229-238.

Schick 2008
Schick, Afra: Johann Friedrich und Heinrich Wilhelm Spindler, in: Friedrich300 - Colloquien. Friedrich der Große und der Hof, https://www.perspectivia.net/content/publikationen/friedrich300-colloquien/friedrich-hof/Schick_Spindler

Schönpflug 2008
Schönpflug, Daniel: Friedrich der Große als Ehestifter. Matrimoniale Strategien im Haus Hohenzollern 1740-1786. Friedrich der Große und der Hof, https://perspectivia.net/publikationen/friedrich300-colloquien/friedrich-hof/schoenpflug_ehestifter

Zielosko 2011
Zielosko, Karoline: Verwandtenbesuch: Das Neue Palais als Bühne dynastischer Selbstinszenierung. Friedrich der Große und die Dynastie der Hohenzollern, https://perspectivia.net/publikationen/friedrich300-colloquien/friedrich-dynastie/zielosko_verwandtenbesuch

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