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Makellos gefiltert: Das inszenierte Bild einer Preußischen Königin

09. April 2025 Von Alexander Reich

„Eigentlich sind wir alle unser eigenes Museum und 
stellen uns andauernd selbst aus.“

- Friedrich Löchner

 

Die hier abgebildete Sophie Dorothea war Ehefrau des preußischen Soldatenkönigs Friedrich Wilhelms I. und Mutter Friedrichs II. Wie von adligen Frauen der Zeit erwartet wurde, interessierte sie sich für Musik, Literatur, Mode und Kunst. Sie nutzte ihren Einfluss und ihr Vermögen dazu, die Künste in Berlin und Brandenburg zu fördern. Ihrer Rolle als Prinzessin und später als Königin folgend, wurde sie für Repräsentationszwecke häufig portraitiert.

Portraits wurden beispielsweise an Verwandte und Freunde verschenkt und waren hilfreich für das Knüpfen von politisch motivierten Eheschließungen. Genau wie heutzutage Selfies auf Instagram, Snapchat oder TikTok zeigen auch historische Portraits kein allzu genaues Abbild der Realität. Die Auftraggeber:innen inszenierten in den Gemälden nicht nur ihren sozialen Stand, sondern auch ihre Schönheit, ihren Erfolg, ihren Reichtum und ihr Glück.

Auch im Portrait Sophie Dorotheas ist dies der Fall: Es zeigt den Reichtum der Königin mit Hilfe von edlen Stoffen und teurem Schmuck. Besonderer Wert wird in diesem Gemälde auf den Farbklang von Altrosa und Weiß sowie die kostbaren Materialien Samt, Hermelinpelz, Seide, Spitze und Perlen gelegt. Dieser für die damalige Zeit eher reduzierte Look betont die Rolle der Königin als „Influencerin“ in Sachen Mode. Geschickt wird ein gewisses Understatement bei gleichzeitiger Demonstration von gutem Geschmack an die Betrachter:innen vermittelt.

Es ist jedoch nicht alles Gold was glänzt, Idealisierung und Filter werden bis heute genutzt, um eine gesellschaftlich anerkannte Form von Perfektion auszudrücken. Auf diese Weise kann die eigene Position und manchmal auch das eigene Selbstbewusstsein gestärkt werden. Häufig betrügen wir uns auf Social Media allerdings selbst und inszenieren ein perfektes Leben vor der ganzen Welt. Nur selten zeigen wir unsere Unsicherheiten oder Momente, in denen es uns schlecht geht. Die von uns gewählten Bilder haben eine Funktion. Sie sind ähnlich wie eine Autobiografie, in der wir uns selbst beschreiben und inszenieren – häufig um anderen zu gefallen.

Auch dies ist mit der damaligen Zeit vergleichbar und wird am Portrait Sophie Dorotheas deutlich. Im Barock und noch im späten 18. Jahrhundert war eine gewisse Körperfülle ein Zeichen für einen gehobenen sozialen Stand. Nicht alle Menschen konnten sich Nahrung im Überfluss leisten und so galt es als ein Ausdruck guter Gesundheit, nicht zu dünn zu sein. Allerdings wurde seit der Erfindung des Korsetts Wert auf eine schmale Taille gelegt. Auf dem Portrait sehen wir zwar eine ältere Frau mit individuellen Gesichtszügen und Doppelkinn, doch wurde ihr Äußeres stark idealisiert. Aus den Beschreibungen ihrer Tochter Wilhelmine geht hervor, dass Sophie Dorothea nach 14 Schwangerschaften stark an Gewicht zugenommen hatte. In dem strengen Korsett wirkt sie jedoch recht schlank. Auch dass sie aufgrund einer Pockenerkrankung am ganzen Körper Narben davongetragen hatte, wird im Portrait nicht dargestellt. Vor allem auf einem so offiziellen Portrait ergibt es Sinn, diese Makel zu verbergen, denn eine ebenmäßige und glatte Haut war und ist noch immer oberstes Schönheitsideal. Volker Hermes spielt mit den über ihre Haut verlaufenden Perlensträngen jedoch auf die Narben an – möchte sie auf diese Weise sogar als etwas Schönes und Individuelles aufwerten.

Dieses Portrait zeigt, wie ähnlich sich das historische Portrait und unsere heutige Auseinandersetzung mit dem eigenen Bild sind. Der Wunsch, sich zu inszenieren, etwas auszudrücken und andere zu beeindrucken scheinen ein Grundbedürfnis des Menschen zu sein. Nur selten sind wir aber wirklich authentisch. Darum entwickelte sich 2020 das sogenannte „Casual Instagram“als Gegenbewegung zur stark artifiziellen Influencer-Kultur. Inspiriert von TikTok geht es darum, mehr in einer stark kuratierten Welt mehr Authentizität zu zeigen.

Der Artikel ist Teil der Online-Ausstellung „Volker Hermes: Portrait & Mensch“.

Perfectly filtered: the staged image of a Prussian queen

"Actually, we are all our own museum and 
exhibit ourselves all the time."

– Friedrich Löchner

Sophie Dorothea, pictured here, was the wife of the Prussian „Soldier King“ Frederick William I and mother of Frederick II. As was expected of noble women of the time, she was interested in music, literature, fashion and art. She used her influence and wealth to promote the arts in Berlin and Brandenburg. In keeping with her role as Princess and later as Queen, she was frequently portrayed for representational purposes.

Portraits were given as gifts to relatives and friends, for example, and were helpful in arranging politically motivated marriages. Just like selfies on Instagram, Snapchat or TikTok today, historical portraits are not an accurate reflection of reality. The people who commissioned the paintings not only staged their social status in the paintings, but also their beauty, success, wealth and happiness.

This is also the case in this portrait of Sophie Dorothea: it shows the Queen's wealth with the help of fine fabrics and expensive jewellery. Here, particular emphasis is placed on the colour scheme of dusty pink and white as well as the precious materials of velvet, ermine fur, silk, lace and pearls. This rather minimalist look for the time emphasizes the Queen's role as a fashion influencer. It cleverly conveys a certain understatement while at the same time demonstrating good taste to the viewer.

However, not all that glitters is gold; idealization and filters are still used to this day in order to feign a socially accepted form of perfection. This can strengthen one's own position and sometimes also one's own self-confidence. However, we often deceive ourselves on social media and stage a perfect life in front of the whole world. We rarely show our insecurities or moments when we are feeling blue. The images we choose have a function: They are similar to an autobiography in which we describe and stage ourselves - often to please others.

This is also true for the past and is illustrated by the portrait of Sophie Dorothea. In the Baroque period and even in the late 18th century, a certain degree of corpulence was a sign of an elevated social status. Not everyone could afford an abundance of food and so it was considered an expression of good health not to be too thin. However, since the invention of the corset, emphasis has been placed on a narrow waist. Although the portrait shows an older woman with idiosyncratic facial features and a double chin, her appearance was strongly idealized. From the descriptions of her daughter Wilhelmine, it is clear that Sophie Dorothea had gained a lot of weight after 14 pregnancies. However, she looks quite slim in the tight corset. The fact that she had scars all over her body due to smallpox is also not shown in the portrait. It makes sense to hide these blemishes, especially in such an official portrait, because even and smooth skin was and still is the highest ideal of beauty. However, Volker Hermes alludes to the scars with the strands of pearls running across her skin - wanting to enhance them as something beautiful and individual.

This portrait clearly shows how similar the historical portrait and our modern-day engagement with our own image are. The desire to stage oneself, to express something and to impress others seems to be a basic human need. However, we are rarely truly authentic. This is why “casual Instagram” developed in 2020 as a counter-movement to the highly artificial influencer culture. Inspired by TikTok, it’s aims is to show more authenticity in a highly curated world.

This blog article is part of the online exhibition ‘Volker Hermes: Portrait & Person’.

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