Blog

„Wir waren uns sofort einig: Die Bücher müssen zurück!“

24. Oktober 2025 Von Michael Wolf

2025 jährt sich die Deutsche Einheit zum 35. und die Gründung der SPSG zum 30. Mal. Aus diesem Anlass blicken wir in einer Reihe auf die turbulenten Ereignisse der Wendejahre. Sabine Hahn brachte damals die Bibliothek Friedrichs des Großen zurück ins Schloss Sanssouci.

Der 9. November 1989 wird meist mit Bildern jubelnder Ostdeutscher in Verbindung gebracht. Doch natürlich war auch im Westen Berlins die Freude riesig. Am Tag nach dem Mauerfall kam Sabine Hahn, Bibliothekarin der Schlösserverwaltung, ganz aufgekratzt zur Arbeit. Erinnert sie sich heute zurück, ist immer noch die Aufregung von damals erkennbar. „Meine Kollegen und ich waren völlig aus dem Häuschen. Und uns war von Tag eins an klar, dass wir wieder zusammengehen müssen.“ Das Ensemble der preußischen Schlösser und Gärten wurde bis dahin von der deutsch-deutschen Grenze grob in zwei Teile zerschnitten. Im Westen lagen die Pfaueninsel, Glienicke, das Schloss Grunewald und natürlich Schloss Charlottenburg, wo die Verwaltung ihren Sitz hatte. Der weitaus größere Teil der Bauten und Gärten lag im Osten, vor allem in Potsdam. Nun regte sich auf beiden Seiten die Hoffnung, dass mit dem Mauerfall wieder zusammenwachsen kann, was so viele Jahrhunderte ganz selbstverständlich zusammengehört hatte.
Doch bis dahin sollten noch einige Jahre vergehen. Vor allem arbeitsrechtliche Verhandlungen verzögerten den Einigungsprozess bis 1995. „Wir hätten damals nicht gedacht, dass das so lange dauert.“ Sabine Hahn begleitete die Gründung der SPSG als Personalrätin, und trieb als Bibliothekarin ganz praktisch die Vereinigung der beiden Organisationen voran. Im Dezember 1989 hatte sie zum ersten Mal Hannelore Röhm getroffen, ihre Kollegin aus der Bibliothek der DDR-Schlösserverwaltung. „Wir haben uns gesucht und gefunden. Da ist in den kommenden Jahren eine richtige Freundschaft entstanden.“ Angefangen hat diese Freundschaft der beiden natürlich mit Büchern. Aber nicht mit irgendwelchen, sondern mit der Bibliothek eines Königs! „Wir beide waren uns sofort einig: Friedrichs Bücher müssen zurück ins Schloss Sanssouci.“

Friedrich der Große hatte eine ganz besondere Beziehung zu Büchern. Er sammelte sie nicht, wie andere Fürsten seiner Epoche, zu Repräsentationszwecken, seine Bibliothek in Schloss Sanssouci diente ganz der persönlichen Studien und der Meditation. Vor allem philosophische und historische Werke, dazu wissenschaftliche Bücher aller Art, die griechischen Klassiker und einige Romane standen hier stets griffbereit. Aus Respekt rührte keiner seiner Nachfolger die Bestände an. 

Im Jahr 1989, als Hahn und Röhm erstmals gemeinsam die Bibliothek betraten, blickten sie dennoch in leere Regale. Die Wirren des 20. Jahrhunderts hatten auch hier ihre Spuren hinterlassen. Ende des Zweiten Weltkriegs waren die Bücher nach Thüringen ausgelagert worden. Hier fand die US-Army sie und brachte sie in ein zentrales Depot, von wo aus sie über Umwege 1957 nach West-Berlin gelangten und fortan im Schloss Charlottenburg zu sehen waren. Nun, da der Kalte Krieg zu Ende war, galt es, sie endlich an ihren angestammten Platz zurückzubringen. Der Vorschlag der beiden engagierten Bibliothekarinnen stieß auf allgemeine Resonanz. „Wir haben nicht viel Überzeugungsarbeit leisten müssen, weil allen Entscheidungsträgern unsere Idee völlig einleuchtete: Ja klar, die Bücher müssen zurück!“ Und so stand im September 1992 der Umzug der gut 2000 erhaltenen Bände nach Potsdam an. Rückblickend gerät Sabine Hahn ins Schwärmen. „Einen solchen Bestand wieder an seinen Platz zu bringen und sortieren zu können – das war natürlich eine Riesenfreude.“ 

Einmal im Jahr führt sie Besuchergruppen in die Bibliothek, die im normalen Betrieb nur durch Fenster einsehbar ist. Auch nach ihrem Renteneintritt lässt sie sich diesen Termin nicht entgehen. „Es ist ein ganz besonderer Ort. Wenn ich in der Mitte dieses kreisrunden Raums stehe, schlägt mein Herz nach wie vor höher.“

Auch für die beiden Schlösserverwaltungen war jener Tag im September 1992 sehr bedeutsam. Noch bevor sie sich formal zur SPSG zusammenschlossen, vereinigten die Verwaltungen ihre wichtigste historische Bibliothek. Wie ein Paar, das beschließt, es sei jetzt an der Zeit, zusammenzuziehen und ihre jeweiligen Bücher in ein gemeinsames Regal einsortiert.
 

Der Beitrag ist zuerst erschienen im SPSG-Magazin SANS,SOUCI. 04.2025.

Ihr Kommentar

Erforderliche Felder sind mit * gekennzeichnet. Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

0 Kommentare