Am 2. Mai jährt sich zum 80. Mal der Tag, an dem Menschen und die Schöpfungen der Bau- und Gartenkunst der Pfaueninsel durch das mutige Handeln einer Frau vor Tod und Zerstörung bewahrt wurden. Marie Wolter, Mitglied der KPD, war nach ihrer Entlassung am 16. Januar 1945 aus dem Konzentrationslager Ravensbrück auf die Pfaueninsel gekommen. Dort lebte ihre Tochter Sonja zusammen mit ihrem Mann Hans-Joachim Rohde bei den Schwiegereltern im Schweizerhaus.
Am 26. April 1945 hatte die deutsche Wehrmacht die Pfaueninsel, die inmitten des Kampfgebietes der von Osten und Norden heranrückenden Roten Armee lag, mit ungefähr 400 Soldaten und Offizieren besetzt. Regulär lebten dort 30 bis 40 Menschen. Nun hatten sich zusätzlich 150 Personen auf die Insel geflüchtet, in der Hoffnung, hier den Krieg zu überleben. Die Rote Armee stand bereits am gegenüberliegenden Ufer, Marie Wolter versuchte den verantwortlichen Major zu überzeugen, die Insel zu übergeben, um unnötiges Blutvergießen zu vermeiden. Doch er lehnte entschieden ab.
In der Nacht vom 30. April zum 1. Mai versuchte die Wehrmacht von der Insel zu entkommen. Es gelang aber nur einigen Offizieren und einem kleinen Teil der Soldaten. Am 1. Mai traf ein sowjetisches Panzergeschoss den südlichen Giebel des Schweizerhauses. „Jetzt verließen wir uns nur noch auf uns selbst", schrieb Marie Wolter 1945.
Am 2. Mai fuhr sie in Begleitung von sechs Zivilisten um 11.30 Uhr auf der Fähre mit gehisster roter und weißer Fahne zum gegenüberliegenden Ufer, auf dem Sowjetsoldaten mit angelegten Gewehren einen deutschen Maschinengewehrschützen am Fährhaus daran hinderten, auf die Überfahrer zu schießen.
Der russische Panzer, der sein Geschütz zur Insel gerichtet hatte, wurde zurückgezogen. Auf die Frage des sowjetischen Obersten, warum Zivilisten und nicht Soldaten zur Übergabe gekommen wären, erklärte Marie Wolter, dass diese Angst hätten. Sie schrieb in ihrem noch im Mai 1945 verfassten Bericht: „Aber sonderbar, nach einer halben Stunde kam der Major in einem kleinen Boot mit der weißen Fahne und ergab sich. Zehn Minuten später marschierten die deutschen Soldaten mit der weißen Fahne am Fährhaus auf." Die Tochter Sonja ergänzte später, dass die Soldaten dort „Berge voller Waffen" ablegten und in Gefangenschaft gingen. So blieb die Insel erhalten und die Menschen haben überlebt. Die offizielle Kapitulation Berlins trat am 2. Mai um 15 Uhr in Kraft.
Marie Wolters vollständiger Bericht sowie die Erinnerungen, die ihre Tochter, die Zeitzeugin Sonja Rohde (zum Zeitpunkt des Berichts 90 Jahre), dem Verfasser 2014 berichtete, sind in den Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins im Heft 1 (Januar 2015) nachzulesen. Dort wird auch die Verbindung der Familie Rohde mit der Pfaueninsel – Sonjas Schwiegervater Walter Rohde arbeitete dort mit Unterbrechungen seit 1914 – bis in die Zeiten Lennés nachgezeichnet.
Prof. Dr. Michael Seiler lebt und arbeitet seit 1979 auf der Pfaueninsel und war von 1993 bis 2004 Gartendirektor der SPSG.
Der Beitrag ist zuerst erschienen im SPSG-Magazin SANS,SOUCI. 02.2015
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