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Zauberhafte Illusionen

12. August 2022 Von Samuel Wittwer

Lebensgroße Papierfigurinen überraschen im Schloss Königs Wusterhausen die Besucher:innen. Einige der erwachsenen Kinder Friedrich Wilhelms I. sind in das Schloss zurückgekehrt und lassen Geschichten und Begebenheiten aus der Zeit des 18. Jahrhunderts, die sich dort zugetragen haben sollen, wiederaufleben. Historische Fakten werden aufgegriffen, das Zusammentreffen der Protagonisten ist jedoch fiktiv – und aus Draht.
 

Ein Hochzeitsgeschenk sollte es sein, und zwar ein sehr persönliches. Das hatte Friedrich II. im Sinn, als er 1742 für seinen Freund, den Freiherrn von Keyserling, zu seiner Hochzeit ein kurzes Theaterstück schrieb. Das Resultat war der Einakter „Der Modeaffe“. Für das Brautpaar war die Geschichte wenig schmeichelhaft, geht es doch darin um einen exzentrischen, der Modesucht verfallenen Marquis, der durch Vermählung mit einer braven, gerade aus der Klosterschule entlassenen Braut zur Vernunft und vor allem zur Sparsamkeit gebracht werden sollte. Dabei waren die bösesten Anspielungen und Pointen gar nicht gegen das beschenkte Brautpaar gerichtet. Sie waren eine für den manchmal zynischen Preußenkönig typische Abrechnung mit einem Philosophen, der ihn kritisiert hatte, und nun durch öffentlich Bloßstellung leiden sollte.

Diese Abrechnung des beleidigten Preußenkönigs war also elegant verpackt und gekonnt in Szene gesetzt. Und genau auf diese Art und Weise wurde das wieder entdeckte Stück 2012 im Rahmen des Friedrich-Jubiläums und der Ausstellung „Friederisiko“ präsentiert: 27 lebensgroße Figuren stellten in elf Episoden die Szenen des Theaterstücks nach. Aber nicht einfach Puppen! Jede einzelne Figur und jedes der zahlreichen Accessoires war sorgfältig recherchiert, orientierte sich an Gemälden und Objekten aus der Zeit Friedrichs II., damit die Wiedergabe der Stoffmuster, der Perücken, der Utensilien bis hin zum Präsentations-Kissen auch wirklich in die Atmosphäre des Berliner Hofes entführen konnte. Die Umsetzung wurde schließlich durch die geniale Zusammenarbeit mit der belgischen Künstlerin Isabelle de Borchgrave möglich. Nur drei Materialien benötigte sie für diesen Zauber: Draht für die Gestelle der Figuren, Farbe zur Imitation verschiedener Materialien und Papier, Papier, Papier! Allein Pack- und Seidenpapier sowie ein sehr dünnes Papiervlies täuschen Seide, Spitze, Juwelen, Stickerei oder Leder vor, dass es einen die Sprache verschlägt. Aber reden braucht man sowieso nicht, sondern sich an den unendlichen Details erfreuen, schauen, staunen. Ein zehnköpfiges Team um die Künstlerin brauchte ein ganzes Jahr, um diese lustvolle Pracht zum Leben zu erwecken. Darunter befand sich auch eine junge Mitarbeiterin, die zuvor für das Modehaus Dior Seidenblumen und Accessoires gefertigt hatte – was für ein Niveau!
 

Zum Leben erweckt ist richtig ausgedrückt – denn jede einzelne Figur kann mehr, als nur eine Rolle spielen. Mit der papierenen Truppe lassen sich unterschiedliche Geschichten erzählen – pardon, aufführen. Seit ihrem ersten großen Auftritt im Neuen Palais vor genau zehn Jahren reisten einige der Protagonisten als virtuose Botschafter durch Europa, erfreuten und erstaunten das Publikum beispielsweise in Schlössern der Niederlande ebenso wie in der Schweiz. Nun geben sie ein Gastspiel in der alten Heimat, in Schloss Königs Wusterhausen. In einer herrlich unterhaltsamen Inszenierung spielen sie Friedrich II. und seine Geschwister, die sich über ihre Kindheit im Schloss unterhalten. Und auf einmal sind wir mitten drin, in der Geschichte – Dank Papier, Leim und Farbe.
 

Zauberhafte Illusion
Eine Inszenierung in drei Bildern mit lebensgroßen Papierfigurinen der belgischen Künstlerin Isabelle de Borchgrave

Königs Wusterhausen / Schloss Königs Wusterhausen
25. Juni bis 31. Oktober 2022 / verlängert bis 31. Oktober 2023
Di–So, 10–17.30 Uhr
6 | 5 € (im Schlosseintritt enthalten)
nicht barrierefrei
www.spsg.de/zauberhafte-illusion

 

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Eine szenische Promenade durch das Neue Palais. Zum Leben erweckt von Isabelle de Borchgrave.
Samuel Wittwer (Text), Andreas von Einsiedel (Fotos)
München 2012, Hirmer Verlag, dt.-engl., 128 Seiten, 73 Tafeln und 32 Abbildungen
Weitere Informationen

 

 

 

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