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Punkt für Punkt zurück auf den Obelisken

10. Juni 2022 Von Pauline Oelsner

Seit einigen Wochen arbeitet der Restaurator und Steinbildhauer Robert Freund in seiner Werkstatt  an einer Kopie. Er fertigt eine originalgetreues Abbild eines Reliefs von August Wilhelm von Preußen, dem Bruder Friedrichs des Großen, an – das Original war am Obelisken im Rheinsberger Lustgarten angebracht, zerbrochen und zu lange der Brandenburger Witterung ausgesetzt. Nun wird es ersetzt.
 

Die Kopie besteht – wie bereits das Original aus dem 18. Jahrhundert – aus italienischem Carrara-Marmor. Die feinkristalline Struktur dieses edlen Steins faszinierte von jeher Künstler:innen und Bildhauer:innen. Im Mittelalter haben vor allem die Baumeister dafür gesorgt, dass der Marmor in Nord- und Mittelitalien für Bauten verwendet wurde, meistens für den Bau von Kathedralen. In der Renaissance wählte Michelangelo die Blöcke für seine Skulpturen persönlich in den Steinbrüchen aus. Das geschieht auch heute noch in der SPSG, die Restaurator:innen suchen den Carrara-Marmor vor Ort in den Steinbrüchen aus und er wird dann nach Potsdam geliefert. Auch der berühmte „David“ des Künstlers ist aus Carrara-Marmor. Die Qualität dieses Gesteins zeigt sich heute noch in der kühlen Schönheit und zeitlosen Eleganz der Skulpturen. Marmor ist jedoch nicht so unvergänglich wie es scheint. Im 19. Jahrhundert wurde entdeckt, wodurch der Stein zerstört wird: Durch zahlreiche, kleinste Poren kann Wasser in die Substanz eindringen und lässt sie verwittern. Um das Original vor weiteren Schäden zu schützen, wird eine Kopie angefertigt. Das originale Marmormedaillon August Wilhelms wird nun sicher im Depot eingelagert und für die Forschung und spätere Ausstellungen verwahrt.

Ich durfte Robert Freund in seinem Atelier in der Skulpturenwerkstatt der SPSG besuchen und ihm ein bisschen über die Schulter schauen. Er erklärte mir, dass die handwerklich anspruchsvolle Anfertigung der Marmorkopie im traditionellen Punktierverfahren erfolgt. Mit Hilfe eines Punktiergeräts überträgt der/die Bilderhauer:in einzelne Punkte vom Original millimetergenau auf die Kopie. Das heißt, dass ein Punkt mit Hilfe des Punktiergeräts erst von dem Original ausgesucht und an genau der gleichen Stelle auf der Reproduktion übertragen und gekennzeichnet wird. Es entwickelt sich nach und nach ein Punktenetz, das sich über die gesamte Kopie erstreckt und eine detailgetreue Übertragung im Maßstab 1:1 garantiert. Gearbeitet wird nach altem Verfahren von Hand, mit Hammer und Meißel, Fäustel, Spitzeisen und verschiedenen Raspeln.  Für das grobe Entfernen der Oberfläche wird manchmal ein Presslufthammer benutzt. Aus einem Rohmaterial entstehen erst nach groben Meißeln bis zum feinen Schliff schrittweise die  Züge des Porträts. Es kann mitunter viele Monate, sogar Jahre dauern, bis aus einem Marmorblock eine fertige Skulptur entsteht.
 

Obelisk im Schlossgarten Rheinsberg
Obelisk © SPSG / Leo Seidel

Das Porträt zeigt August Wilhelm von Preußen, den zehn Jahre jüngeren Bruder Friedrichs des Großen. Es befindet sich am großen Obelisken am Rheinsberger Lustgarten. Auf der anderen Seite des Grienickesees, in direkter Sichtachse zum Rheinsberger Schloss erhebt sich das Denkmal, dessen Errichtung dem damaligen Besitzer Prinz Heinrich ein besonderes Anliegen war: Es erinnert nicht nur an seinen geliebten Bruder August Wilhelm, sondern ehrt zugleich 28 Offiziere des Siebenjährigen Krieges.

 

 

 

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