Erklärung von Sanssouci zum Erhalt von historischen Gärten und Kulturlandschaften

Erklärung von Sanssouci zum Erhalt von historischen Gärten und Kulturlandschaften

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Historische Gärten sind Kunstwerke, wertvolle Kulturgüter der Menschheit und bedeutende Errungenschaften unserer Zivilisation. Sie sind gemäß der Charta von Florenz (1981) Denkmale von hohem Rang und werden als Orte der Bildung und Erholung von nationaler und internationaler Bedeutung im Sinne der Charta von Venedig (1964) geschützt, gepflegt und erforscht. Aufgrund ihrer Strukturvielfalt und ihres historisch gewachsenen Vegetationsbestandes sind historische Gärten und Kulturlandschaften zudem unverzichtbare Habitate für Flora und Fauna. Sie dienen der Stabilisierung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes.

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Historische Gärten und Kulturlandschaften gewinnen im Zuge des weltweiten Bevölkerungswachstums und zunehmender Urbanisierungstendenzen für die Lebensqualität der Menschen in nahe gelegenen Städten und Metropolen an Bedeutung. Die Grünräume dienen der Frischluftversorgung und dem Temperaturausgleich. Sie tragen zur Bindung von Schadstoffen bei und puffern Lärmemissionen.

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In den vergangenen Jahrzehnten haben Wetterextreme weltweit zugenommen. Der globale Klimawandel ist wissenschaftlich nachgewiesen und ist eine zentrale Herausforderung für die Menschheit. Die sich dadurch verändernden Umweltfaktoren gefährden auch historische Gärten, Bauwerke und ganze Kulturlandschaften und drohen das globale Kultur- und Naturerbe erheblich zu beeinträchtigen.

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Folgen des Klimawandels wie Wetterextreme verringern Umweltressourcen und verändern die Biodiversität. Über Jahrhunderte gewachsene und gepflegte Vegetationsbestände drohen früher abzusterben. Die sich verändernden klimatischen Bedingungen wirken sich auf das Wachstum und die Reproduktion, das heißt auf die Konkurrenzkraft von Pflanzen und Pflanzengesellschaften aus.

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Die Gefährdungen durch die Folgen des Klimawandels für die historischen Gärten, Bauwerke und Kulturlandschaften müssen deshalb erkannt, beschrieben und erforscht werden. Das ist eine gemeinsame Aufgabe für Natur- und Geisteswissenschaften, denn nur so lassen sich längerfristig wirksame Handlungsstrategien entwickeln, um den negativen Auswirkungen auf unser kulturelles Erbe nachhaltig und grenzüberschreitend zu begegnen.

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Der akute und mittelfristige Forschungsbedarf erfordert die Zusammenarbeit und den intensiven und kontinuierlichen Austausch zwischen Kultur- und Geschichtswissenschaftlern, Denkmalpflegern und Naturwissenschaftlern. Einzubeziehen sind zudem die Kenntnisse der Forstwissenschaft, der Pflanzensoziologie, des Naturschutzes sowie Untersuchungen aus Botanischen Gärten und Baumschulen.

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Auf dieser Grundlage sind kurzfristig – wissenschaftlich begleitete – Modellprojekte in den historischen Gärten und Kulturlandschaften zu realisieren. Daraus sollen nachvollziehbare und übertragbare Lösungen zum nachhaltigen Schutz, Erhalt und zur Restaurierung für historische Gärten, Bauwerke und Kulturlandschaften abgeleitet werden. Dabei sollen Geschichts-, Kunst- und Naturwerte weitgehend bewahrt werden.

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Zu ermöglichen ist die experimentelle Erprobung von Forschungsergebnissen, die auf historische Gärten und Kulturlandschaften zugeschnitten sind, um die auch für den Naturschutz wichtigen Altbaumbestände und wertvollen Wiesen zu erhalten.

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Die auf der Grundlage dieser neuen Forschungen durchgeführten Maßnahmen müssen in Zusammenarbeit aller Beteiligten dokumentiert werden. Notwendig ist ein kontinuierliches Monitoring und die zeitnahe Veröffentlichung von Maßnahmen, Erfahrungen und Ergebnissen, um diese überprüfbar auch auf andere historischen Stätten übertragen zu können.

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Globalen Herausforderungen und Gefährdungen für das kulturelle Erbe ist auch im Bereich der Klima- und Umweltpolitik nur gemeinsam zu begegnen. Daher müssen wir unsere Anstrengungen vertiefen und ein internationales Netzwerk etablieren, in dem Kultur- und Forschungseinrichtungen, Zivilgesellschaft und Politik diese Gefahren für unsere kulturelle Überlieferung und Identität erkennen. Sie müssen ihre Erkenntnisse und Erfahrungen übergreifend bündeln, vertiefen und gemeinsam – auch mit den Nutzern – ihre Strategien für eine Erhaltung des kulturellen und natürlichen Erbes unserer Welt fortentwickeln.

Die „Erklärung von Sanssouci“ wurde anlässlich der von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg ausgerichteten Internationalen Tagung „Historische Gärten im Klimawandel – Empfehlungen zur Bewahrung“ am 5. September 2014 in Potsdam verabschiedet und unterzeichnet.

Mónica Luengo
Präsidentin des International Scientific Committee on Cultural Landscapes ICOMOS/IFLA

Dr. Roland Bernecker
Generalsekretär der Deutschen UNESCO-Kommission

Dr. Heinrich Bottermann
Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt / DBU

Prof. Dr. Hubert Weiger
Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz / BUND

Prof. Dr. Hartmut Dorgerloh
1. Vorsitzender Schlösser und Gärten in Deutschland e.V. und Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg / SPSG