SPSG gibt ersten Verlustkatalog heraus

Rund 3.000 Gemälde aus den preußischen Schlössern werden vermisst

"Mit dem Verlustkatalog Gemälde legt die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) den ersten Teil ihrer Dokumentation der im Zweiten Weltkrieg zerstörten bzw. seitdem verschollenen Kunstwerke aus den preußischen Schlössern vor. In den kommenden Jahren wird die SPSG weitere Verlustkataloge für die anderen Sammlungsbestände herausgeben. Ziel ist es, die Kunstwerke aufzufinden und an ihren angestammten Platz zurückzuführen. Hier sollen sie wieder in ihren spezifischen historischen Zusammenhängen erlebbar und der Öffentlichkeit zugänglich sein.

Der Verlustkatalog ist in den Museumsshops erhältlich und kostet 49 Euro.

Derzeit sind ca. eine Million Museumsobjekte sowie 4,6 Millionen Bücher und Archivalien aus deutschen Sammlungen, die nachweislich den Zweiten Weltkrieg überstanden haben, vermisst oder verschollen. Auch in den preußischen Schlössern und Gärten fehlen Zehntausende von Kunstwerken: Gemälde, Skulpturen, Porzellane, Möbel, Musikinstrumente, Uhren, Silber, Graphiken, Bücher. Das bedeutet für die in den Schlössern bewahrten räumlichen Gesamtkunstwerke schmerzliche Lücken. Der vorliegende Katalog dokumentiert über 3.000 Staffeleibilder sowie Wand- und Deckengemälde und wandfest integrierte Gemälde und damit erstmals fast die Hälfte der Gemälde, die sich vor 1945 in den preußischen Schlössern befanden.

Der Band ist nicht nur eine Dokumentation über das Schicksal der Gemälde aus den preußischen Schlössern, sondern erschließt viele bislang unpublizierte Werke erstmals der wissenschaftlichen Forschung. Er ist im wesentlichen den jahrzehntelangen intensiven Recherchen von Gerd Bartoschek, Kustos für die deutschen und niederländischen Gemälde, zur Inventarisierung und Rekonstruktion der Gemäldesammlungen der preußischen Könige zu verdanken. Die Kulturstiftung der Länder unterstützte die Drucklegung.

Die SPSG gehört zu den am stärksten vom Zweiten Weltkrieg und seinen Folgen betroffenen Museumseinrichtungen in Deutschland. Die Stiftung wurde nach der Wiedervereinigung 1995 von den Ländern Berlin und Brandenburg als Zusammenführung der Verwaltungen der Schlösser und Gärten in West-Berlin und Potsdam ins Leben gerufen. Sie steht in der Tradition und Verantwortung der 1927 gegründeten preußischen Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten, die nach der Abdankung des letzten deutschen Kaisers und im Ergebnis der Verhandlungen zwischen dem preußischen Staat und dem vormals regierenden preußischen Königshaus entstand. Ihr damals formulierter Auftrag, das über die Jahrhunderte gewachsene Ensemble der Schlösser und Gärten mit ihren beweglichen Kunstwerken als einzigartige Gesamtkunstwerke zu erhalten und zu erschließen, ist bis heute unverändert gültig.

Mit der Zerstörung der großen Residenzschlösser in Berlin, Potsdam, Charlottenburg, Königsberg, Breslau und Kassel sowie von Monbijou in Berlin und Wilhelmshöhe in Kassel waren nicht nur diese Baudenkmale selbst mit ihrer wandfesten künstlerischen Ausstattung, sondern auch zahlreiche Einzelkunstwerke verloren. Der größte Teil der evakuierten Bestände wurde 1945 von den alliierten Siegermächten beschlagnahmt, die damit auf verschiedene Weise umgingen.

Die Amerikaner und Engländer führten die von ihnen an verschiedenen Bergungsorten sichergestellten Kunstwerke in Art Collecting Points zusammen und begannen mit der Feststellung und Rückgabe von Raubgut an die verschiedenen Staaten. Versuche einer Überführung von Gemälden der Berliner Museen in die National Gallery Washington scheiterten an Protesten amerikanischer Kunstschutzoffiziere. Demgegenüber begann in der sowjetischen Besatzungszone eine umfangreiche Trophäennahme, von der auch der Hauptteil der Gemälde und viele andere Kunstwerke aus den preußischen Schlössern betroffen waren. Zeitgleich mit den Abtransporten in die Sowjetunion erfolgte die Rückführung der in Deutschland aufgefundenen, von den Nationalsozialisten geraubten Kunstwerke aus sowjetischen Museen.

Neben den über die Länder Brandenburg, Mecklenburg und Thüringen verteilten Evakuierungsorten der preußischen Schlösserverwaltung waren es vor allem die Schlösser in Sanssouci, die für mehr als ein Jahr zum Umschlagplatz der beiden dort tätigen Trophäenbrigaden des Volkskommissariats für Kunstangelegenheiten und des Volkskommissariats für Volksbildung wurden.

Nachdem 1955 die Dresdener Galerie an die DDR zurückgegeben wurde, folgten 1958 weitere große Sammlungskomplexe: das Grüne Gewölbe, die Antikensammlung und die Porzellansammlung aus Dresden, die Münzkabinette von Dresden und Berlin, die Berliner Antikensammlung sowie umfangreiche Bestände aus anderen Museen. Dazu zählten auch Hunderte von Kunstwerken aus den Potsdamer Schlössern. Nach diesen großen Rückführungsaktionen gab es bis zum Ende der 1980er Jahre nur noch vereinzelte Rückgaben aus der Sowjetunion an die DDR. Ebenso konnten seit 1945 immer wieder einzelne Objekte in die preußischen Schlösser zurückkehren, die in andere Sammlungen bzw. in den internationalen Kunsthandel gelangt waren.

Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung haben die Bundesrepublik Deutschland und die Sowjetunion 1990 in einem Nachbarschaftsvertrag sowie 1992 die Regierung der Russischen Föderation in einem Abkommen über die kulturelle Zusammenarbeit beider Staaten die vollständige Rückgabe verschollener oder unrechtmäßig verbrachter Kunst- und Kulturgüter, die sich in ihrem Hoheitsgebiet befinden, festgelegt. Das betrifft in hohem Maße auch Kunstwerke und Sammlungsbestände aus den preußi-schen Schlössern. Die völkerrechtliche Vereinbarung ist allerdings bis heute nicht vollzogen worden."